Digital Services ActDas Plattformgesetz der EU rückt näher

Nach dem Digitale-Märkte-Gesetz geht diese Woche bereits der Zwillingsvorschlag mit Auflagen für Online-Dienste im Rat der EU-Staaten in die Zielgerade. Das große Reformvorhaben der EU für die digitale Welt nimmt damit einen weiteren Zwischenschritt. „Dark Patterns“ sollen künftig verboten werden, fordern die EU-Länder.

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Die EU macht Fortschritte bei ihrem Plattformgesetz (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Charles Forerunner

Das große Plattformpaket der Europäischen Union rückt einem endgültigen Beschluss langsam näher. Vorige Woche beschlossen die EU-Staaten eine gemeinsame Position zum Digitale-Märkte-Gesetz, das unfaire Praktiken durch große Plattformen wie Google oder Amazon beenden soll. Am morgigen Mittwoch soll sich der Rat der EU-Staaten bereits auf das Zwillingsvorhaben einigen, das Digitale-Dienste-Gesetz. Dieses zielt auf den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz ab, macht einheitliche Vorgaben für die Moderation von Inhalten und schafft eine neue Aufsichtsstruktur, die vor allem großen Diensten auf die Finger schauen soll. Einen Entwurf der Ratsposition (PDF) veröffentlichte das französische Medium Contexte.

Nur wenige Tage zuvor hatte Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen bei einem Besuch in Brüssel aufgerufen, ihren früheren Arbeitgeber und die anderen großen Internetkonzerne strenger zu regulieren. Das Gesetzespaket, das im vergangenen Winter von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, soll genau das tun und teils neue Regeln für die Internetwirtschaft schaffen. Während der Rat sich bereits auf eine Position festlegt, feilscht das EU-Parlament weiterhin fieberhaft an seinem Vorschlag. Einigen sich die Abgeordneten auf Kompromissentwürfe für die beiden Texte, was nicht vor Weihnachten abgeschlossen sein dürfte, dann verhandeln Rat, Parlament und Kommission gemeinsam über das endgültige Gesetz.

Rat macht keine grundlegenden Änderungen

Der Entwurf des Rates für das Digitale-Dienste-Gesetz, der nun vorliegt, macht keine grundlegenden Änderungen am Vorschlag der Kommission. Der Fokus des Kompromissvorschlags des Rates liege weiterhin auf dem Umgang mit illegalen Inhalten, heißt es in der Einleitung des Dokuments. „Die Mitgliedstaaten haben sich insbesondere nachdrücklich und auf breiter Basis für die Beibehaltung der drei wichtigsten Grundsätze der E-Commerce-Richtlinie ausgesprochen: das Herkunftslandprinzip, das Prinzip der bedingten Haftungsfreistellung und das Verbot allgemeiner Überwachungspflichten.“

Generell soll das Digitale-Dienste-Gesetz klare Regeln schaffen, nach denen Strafvollzugsbehörden Plattformen illegale Inhalte ihrer Nutzer:innen wie etwa Hassrede oder Urheberrechtsverstöße direkt melden können. Diese sollen dann innerhalb einer gewissen Zeit entfernen, die betroffenen Nutzer:innen müssen darüber aber informiert werden und erhalten Einspruchsmöglichkeiten. Ein genaues Zeitfenster für die Entfernung gemeldeter Inhalte schreiben die EU-Länder nicht vor, weiterhin sollen die Online-Dienste in solchen Fällen „zügig tätig“ werden. In den Erwägungsgründen ist jedoch die Rede davon, dass „illegale Hassrede“ innerhalb von weniger als 24 Stunden entfernt oder gesperrt werden sollte. Das EU-Gesetz legt damit europaweit grob ähnlich fest, was in Deutschland bereits durch das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz geregelt ist.

Die Ratsposition nimmt an dem Meldesystem des Digitalen-Dienste-Gesetzes keine grundsätzlichen Änderungen vor, weitet aber eine bereits von der Kommission vorgeschlagene Verpflichtung für große Online-Plattformen auf alle Hosting-Provider aus. Demnach sollen sie den Strafverfolgungsbehörden melden, wenn sie von Inhalten erfahren, die auf eine Bedrohung für Leib und Leben von Menschen hindeuten. Das soll verhindern, dass etwa ein soziales Netzwerk tatenlos zusieht, wenn über seinen Dienst Aufrufe zur Gewalt geschehen – oder durch eine klammheimliche Entfernung womöglich Beweise gelöscht würden, die für eine Strafverfolgung relevant wären.

Neuer Artikel verbietet „Dark Patterns“

Strengere Regeln fordern die EU-Staaten für Online-Marktplätze. Ein neuer Artikel in dem Gesetz soll sogenannte „Dark Patterns“ beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen im Netz verhindern. Als solche werden Designentscheidungen verstanden, die darauf abzielen, Nutzer:innen in die Irre zu führen und zu einer bestimmten Entscheidung im Sinne des Diensteanbieters zu verleiten. Dies soll durch Artikel 24b explizit untersagt werden.

Etwas expliziter als der frühere Entwurf der Kommission formuliert die Ratsposition auch Auflagen eigens für Suchmaschinen. In Textvorschlägen, die vor allem auf Google gemünzt sein dürften, werden eigene Regeln für „Betreiber sehr großer Online-Suchmaschinen geschaffen“. Diese müssen etwa ihre Empfehlungsalgorithmen regelmäßig unabhängigen Inspektionen unterziehen und Maßnahmen setzen, wenn diese diskriminierend gegen gewisse „verletzliche Personengruppen“ wirken. Eine unabhängige Aufsicht, etwa durch eine neue EU-weite Behörde, sieht der Rat weiterhin nicht vor. Stattdessen sollen die Kompetenzen der Kommission gestärkt werden, wenn es um sehr große Online-Anbieter geht.

Der Entwurf der slowenischen Ratspräsidentschaft für das Digitale-Dienste-Gesetz, der nun öffentlich geworden ist, steht für morgigen Mittwoch auf der Tagesordnung eines Treffens des Rates der Ständigen Vertreter:innen. Dieses Gremium kann die Position im Namen der Mitgliedsstaaten rechtsgültig beschließen, sie dürfte dann gemeinsam mit der Ratsposition für das Digitale-Märkte-Gesetz am 25. und 26. November beim EU-Rat der Wettbewerbsminister:innen bestätigt werden.

Während der Rat die Arbeit an den Gesetzen damit vorerst abschließt, tauchen im EU-Parlament laufend neue Vorschläge für Änderungsanträge auf, die noch entscheidenden Einfluss auf das Gesetzespaket haben könnten. Einige davon, etwa ein Vorstoß von Abgeordneten für eine de-facto-Ausnahme für Presseverleger von der Inhaltemoderation oder Netzsperren für illegale Inhalte, sind umstritten. Auch drängen einige Abgeordnete auf große Änderungen am Kommissionstext inklusive eines Komplettverbotes von personalisierter Werbung. Kommt es dazu, sind im neuen Jahr langwierige Verhandlungen im sogenannten Trilog-Verfahren zwischen Rat, Parlament und Kommission über einen endgültigen Text praktisch vorprogammiert.

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